"Sachsen-Affäre" - Der Beschluss des Landesverfassungsgerichts

"Untersuchungsausschuss im Verfahren gegen die Staatsregierung um Aktenherausgabe erfolgreich

 

Der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen hat mit Urteil vom heutigen Tage festgestellt, dass die Sächsische Staatsregierung die verfassungsmäßigen Rechte des 2. Untersuchungsausschusses aus Art. 54 Abs. 4 SächsVerf durch ihre Weigerung, die angeforderten Akten herauszugeben, verletzt hat. 

 

Der mit Beschluss des Sächsischen Landtages vom 19. Juli 2007 eingesetzte Untersuchungsausschuss hatte aufgrund mehrerer Beweisbeschlüsse von verschiedenen Staatsministern und Behörden Akten angefordert, um eine gegebenenfalls bestehende Verantwortung von Mitgliedern der Staatsregierung für etwaige Mängel bei der Aufdeckung und Verfolgung krimineller und korruptiver Netzwerke zu prüfen. Diese Herausgabebegehren waren im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt worden, dass der Einsetzungsbeschluss verfassungswidrig und damit unwirksam sei. 

 

SächsVerfGH, Urteil vom 29. August 2008 – Vf. 154-I-07

29.08.2008 - Untersuchungsausschuss im Verfahren gegen die Staatsregierung um Aktenherausgabe erfolgreich

 

Der Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen hat mit Urteil vom heutigen Tage festgestellt, dass die Sächsische Staatsregierung die verfassungsmäßigen Rechte des 2. Untersuchungsausschusses aus Art. 54 Abs. 4 SächsVerf durch ihre Weigerung, die angeforderten Akten herauszugeben, verletzt hat. 

 

Der mit Beschluss des Sächsischen Landtages vom 19. Juli 2007 eingesetzte Untersuchungsausschuss hatte aufgrund mehrerer Beweisbeschlüsse von verschiedenen Staatsministern und Behörden Akten angefordert, um eine gegebenenfalls bestehende Verantwortung von Mitgliedern der Staatsregierung für etwaige Mängel bei der Aufdeckung und Verfolgung krimineller und korruptiver Netzwerke zu prüfen. Diese Herausgabebegehren waren im Wesentlichen mit der Begründung abgelehnt worden, dass der Einsetzungsbeschluss verfassungswidrig und damit unwirksam sei.

 

Nach dem Urteil des Verfassungsgerichtshofs wurde der Untersuchungsausschuss wirksam eingesetzt. Die parlamentarische Untersuchung liege im öffentlichen Interesse. Der Einsetzungsbeschluss werde den Geboten der Bestimmtheit und Begrenztheit gerecht. Den Fragenkatalogen lasse sich ein ausreichend konkretes Arbeitsprogramm entnehmen. Die Bezeichnung des Untersuchungsgegenstandes enthalte keine unzulässig vorweggenommenen Feststellungen oder Wertungen. Auch greife der Untersuchungsgegenstand nicht in unzulässiger Weise in den Bereich der Judikative ein.

 

Allerdings verletzten Teile des Untersuchungsauftrages den nach dem Gewaltenteilungsprinzip geschützten Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung. Die Kontrollkompetenz des Parlaments erstrecke sich allein auf bereits abgeschlossene Vorgänge. Einzelne Themenkreise des Untersuchungsauftrags hätten jedoch Maßnahmen der Staatsregierung zum Gegenstand, die von dieser erst in Reaktion auf die Berichterstattung in den Medien eingeleitet worden seien. Diese seien im Zeitpunkt der Einsetzung des Untersuchungsausschusses zum Großteil noch nicht abgeschlossen gewesen. Nichts anderes gelte für das Krisenmanagement und die Informationspolitik der Staatsregierung.

 

Die übrigen Themenkreise des Untersuchungsauftrags ließen den Kernbereich exekutiver Eigenverantwortung hingegen unberührt. Soweit es dem Untersuchungsausschuss um in der Vergangenheit liegende mögliche Erscheinungsformen und Defizite bei der Bekämpfung der Organisierten Kriminalität gehe, handele es sich um abgeschlossene Lebenssachverhalte, die einer parlamentarischen Untersuchung zugänglich seien.

 

Die Verletzung des Kernbereichs exekutiver Eigenverantwortung durch Teile des Untersuchungsauftrags führe nicht zur Verfassungswidrigkeit des Einsetzungsbeschlusses in seiner Gesamtheit. Dieser habe im Übrigen Bestand. Die verfassungswidrigen Themenkreise ließen sich vom verbleibenden Teil des Untersuchungsgegenstandes abtrennen. Sie setzten zeitlich erst nach Bekanntwerden der Vorwürfe in den Medien ein. Zudem liege das Schwergewicht der politischen Auseinandersetzung entsprechend der Bedeutung der Vorwürfe auf dem ersten Zeitabschnitt. Die Aufrechterhaltung des Einsetzungsbeschlusses, soweit er diesen Abschnitt betreffe, sei daher verfassungsrechtlich unbedenklich.

 

Mit dem Urteil des Verfassungsgerichtshofs steht fest, dass die Staatsregierung die Vorlage der angeforderten Akten jedenfalls nicht in ihrer Gesamtheit verweigern durfte. Ob und inwieweit einzelne Akten oder Aktenteile – etwa wegen des Bezugs zu einem nicht abgeschlossenen Vorgang – nicht der Herausgabepflicht unterliegen, hatte der Verfassungsgerichtshof angesichts der pauschalen Verweigerung der Staatsregierung nicht zu entscheiden.

 

SächsVerfGH, Urteil vom 29. August 2008 – Vf. 154-I-07

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